Streetworker aus Leidenschaft

Im Internet wird der Streetworker, der Straßensozialarbeiter, als eine Person beschrieben, die sich in Großstädten in der Nähe von Bahnhöfen, Parkplätzen, in Einkaufszentren und Hinterhöfen um Drogenabhängige, straffällige Jugendliche, Jugendbanden, Prostituierte und Nichtsesshafte kümmert. Ich habe dabei sofort einen Mann im mittleren Alter mit Parker und Kapuze vor Augen.

Joshua Hildebrandt, allgemein von den Jugendlichen nur Joshi genannt, ist anders. Er ist ebenfalls Streetworker, sein Arbeitsgebiet ist jedoch Dorsten-Hervest - und er ist mit seinen 25 Jahren jünger, als ich mir einen Streetworker vorstelle.
„Streetwork ist genau das, was ich immer machen wollte“, erzählt mir der gelernte Erzieher. „Ich mag zudem auch eher die Krisenbewältigung mit Jugendlichen, als mit KiTa-Kindern zu basteln. Leider wird in der Ausbildung zum Erzieher hauptsächlich auf Kindergartenkinder eingegangen, was ich sehr schade finde.“ Joshua absolvierte folglich sein Anerkennungsjahr nicht in einer KiTa, sondern in einer Obhutsnahme in Bottrop. Die vorhanden neun Wohnplätze waren jeweils mit wechselnden Bewohnern von 7 bis 17 Jahren belegt, die maximal sechs Monate bleiben durften. Von daher musste der angehende Erzieher bei seiner Abschlussarbeit spontan sein und sie darauf abstimmen, welche Jugendlichen zu jenem Zeitpunkt gerade in der Einrichtung wohnten.

Vor seiner Ausbildung stand jedoch zunächst ein Praktikum im Rottmannshof an. Während dieser Zeit, in dem der sympathische Dorstener sowohl im Jugendhaus als auch im Gemeinschaftshaus Wulfen Graffitikurse anbot, lernte er den damaligen Mitarbeiter des Jugendtreffs Dennis Ullrich kennen. Sechs Jugendliche der Kurse sind von Anfang an dabei geblieben. Mit ihnen zusammen setzte Joshua Hildebrandt bereits einige soziale Projekte um und verschönerte Wände. Das Tierheim im Hervest gehört ebenso dazu wie die Garagenwand am Seniorenzentrum am Barkenberger See. „Ich war erstaunt, wie tadellos sich die Jugendlichen in den Planungsgesprächen mit den Senioren verhalten haben“, erinnert sich der junge Streetworker.

Im Jahre 2014/2015 bewarb sich der „Sprayer“ mit seinen Jungs beim „Wir machen MiTte-Projekt“ zur künstlerischen Gestaltung der Hochstadenbrücke und gewann den Bürgerpreis. Leider konnte die Gruppe das Projekt noch nicht in Angriff nehmen, da Joshuas Anerkennungsjahr seine ganze Zeit in Anspruch nahm. Aber die sechs Barkenberger Kids zwischen 13 und 17 Jahren nehmen die Brücke mit ihrem Kursleiter jetzt erneut in ihre Planung auf.

Seine erste Stelle als ausgebildeter Erzieher bekam Joshua Hildebrandt in der OGS, der offenen Ganztagsschule an der Albert-Schweitzer-Schule in Hervest. „Leider ließ sich die Arbeitszeit später nicht mit meinem Studium vereinbaren“, bedauert mein angenehmer Gesprächspartner, der nach einem Wartesemester am 1. Oktober 2017 sein Studium der Sozialpädagogik auf Lehramt begann. „Mein Ziel ist es, angehende Erzieher am Berufskolleg zu unterrichten. Nicht nur in Hinsicht auf Kindergärten, sondern auch mit Blick auf Jugendhäuser, Wohngruppen oder offene Ganztagsschulen. Auch dort gibt es genügend Einsatzgebiete für Erzieher.“
Joshua und seine Projekte blieben Dennis Ullrich im Gedächtnis und so dachte er sofort an ihn, als die evangelische Kirchengemeinde kurz darauf eine halbe Stelle als Streetworker ausschrieb.

Seit dem 1. August 2017 arbeitet der herzliche junge Mann nun hauptsächlich im Soziokulturellen Zentrum „Das LEO“, um die Jugendlichen kennenzulernen und Vertrauen aufzubauen. Von Anfang an besitzt er die gleiche Befugnis wie die beiden Sozialarbeiter des „LEO“ Meryem Ebeling und Dennis Ullrich. Sollte sich hier also jemand absolut daneben benehmen, so kann auch Joshi ihm Hausverbot erteilen. „Aber dazu muss es ja nicht immer kommen“, so der 25-Jährige und er ergänzt: „Dafür rede ich ja früh genug mit den Jugendlichen, nehme sie ernst und begegne ihnen mit Respekt, zeige aber auch Grenzen auf.“
Wichtig ist ihm auch die Beschäftigung der Jugendlichen. So soll hier im „LEO“ in Kürze gemeinsam der Cliquenraum farblich passend zu den Möbeln, lokal passend mit dem Förderturm der Zeche, verschönert werden.
„Ich möchte Graffiti rausholen aus der Schmuddelecke“, ist das Ziel des Streetworkers. „Wände beschmieren kann jeder, aber ein richtiges Graffiti ist Kunst“.

Joshua Hildebrandt zieht nach drei Monaten sein Fazit: „Für mich steht fest, dass ich auch weiterhin mit Jugendlichen arbeiten möchte.“ Leider ist seine Stelle bis Ende des Jahres befristet und bis Mitte November war noch nicht sicher, ob sie verlängert wird. Daran denke ich, als ich mich von Joshi verabschiede und ihm alles Gute für seine Zukunft wünsche. Im Weggehen drehe ich mich noch einmal zum „LEO“ um und frage mich, ob es eine gute Idee ist, im Jugendbereich zu sparen.

Fotos und Text: Martina Jansen
Quelle: Lokallust Dorsten